Hilfe! Mein Kind hat einen imaginären Freund? Großartig!

Manchmal ist es als Mutter gar nicht so einfach alles mitzubekommen, was im eigenen Haushalt mit Kids so passiert. Verlorengegangene Socken tauchen an den unmöglichsten Stellen plötzlich wieder auf, Krümel finden unbemerkt ihren Weg in verborgene Ecken und manchmal hat man Gäste, die man weder sieht noch hört. Denen aber dennoch unbedingt ein Platz am Esstisch freigehalten werden muss. Weil das Kind seinen neuen, imaginären Freund zum Essen eingeladen hat. Da sitzt man dann am Tisch, reicht die Salatschüssel ins vermeintlich Leere und fragt lieber nochmals beim Kind nach, ob es Ronny – so der Name des fantastischen Gastes – eh schmeckt. Lächelnd vergewissert sich das Kind selbst noch bei Ronny, der zufrieden scheint. Und das Kind berichtet aufgeregt von all den Abenteuern, die es heute bereits mit dem fantastischen Freund erlebt hat.

 

So manchem Elternteil bleibt bei derartigen Situationen im ersten Moment wohl das Essen im Halse stecken. Ist das normal? Fühlt sich mein Kind einsam, weil es jetzt schon eingebildete Freunde hat? Bleibt das so? Die Gedanken flitzen nur so durch den Kopf. Wie beruhigend ist es dann, wenn man sich die aktuellen Antworten der Experten zum Thema vor Augen führt: JA! Es ist völlig normal, dass Kinder einen imaginären Freund haben! Und es hat sogar ganz konkrete Vorteile! Die Psychologen Dorothy und Jerome Singer von der Yale Univer­sity kamen in ihren Arbeiten zum Beispiel zu dem Schluss, dass ein unsichtbarer Freund eher ein Zeichen für ein kreatives Kind ist, das versucht, sich und seine Gefühle zu regulieren, zu beruhigen – und ein erdachter Freund könne das wohl besser als echte Freunde. Auch eine erhöhte soziale und sprachliche Kompetenz wird Kindern mit Fantasiefreunden zugeschrieben. Alles Dinge, die man gerne bei seinem Kind sieht. "Im Prinzip ist es eine Art kognitives Spiel. Diese Freunde können Tröster, Beschützer, Komplize und auch Sündenbock sein", erklärt die Psychologin Paige Davis das Phänomen in einem aktuellen Interview. Nichts Außergewöhnliches, nichts Bedenkliches – sondern eine wertvolle Phase in der Entwicklung Ihres Kindes.

 

Also: Vergessen Sie die Ansichten aus den 70er Jahren, welche Fantasiefreunde noch als problematisch sahen. Und freuen Sie sich stattdessen, dass Ihr Kind diese Art des kognitiven Spiels gewählt hat. Heißen Sie den imaginären Freund Ihres Kindes willkommen und genießen Sie diese fantasievolle Phase. Denn so unerwartet wie sie gekommen ist, vergeht sie meist auch wieder. Und dann kommt einem der Esstisch plötzlich leer vor – ohne Extra-Teller für Ronny. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Yvonne (Dienstag, 23 November 2021 09:54)

    Herzlichen Dank für den wertvollen Input zu diesem Thema!

  • #2

    Simone (Dienstag, 23 November 2021 15:00)

    Vielen Dank für den tollen Artikel. Meine Tochter hat schon seit Langem einen imaginären Freund, der sie nicht nur bei aufregenden Unternehmungen begleitet, sondern mitunter auch bei Missgeschicken als Verursacher herhalten muss;-). Mittlerweile ist er schon zu einem lieb gewonnenen Familienmitglied geworden, das wir nicht mehr missen möchten:-).