Warum Bewegung und Gesunde Ernährung schlau machen? Neurowissenschafterin Dr. Manuela Macedonia hat die Antworten! Die Top-Forscherin weiß, wie man dem kindlichen Gehirn Gutes tut und dabei nicht die Lust an Genuss und Lernen verliert. Ein STORYWonder Talk für alle Eltern, die ihr Kind von klein auf spielerisch fördern wollen.
"In Kombination mit Bewegung lernen Kindergehirne besser Sprache."
Das Thema „Bewegung und Gehirn“ ist ihr Forschungsfeld und ihre Passion. Eine wesentliche Erkenntnis Ihrer Forschung ist dabei, dass die Gedächtnisleistung mit sensomotorischer Bewegung verbessert werden kann. Wie kann man damit sein Kind fördern?
"Das ist ein sehr komplexes Thema. Aber kurz formuliert kann man sagen, dass Motorik während des Lernens die Gedächtnisleistung steigert. Konkret etwa haben meine Forschungen belegt, dass die
Sprachentwicklung verbessert werden kann, wenn man den Spracherwerb mit passenden Bewegungen kombiniert. Wenn man etwa eine kleine Choreografie - die gar nicht kompliziert sein muss – plus Satz
mit dem Kind einstudiert, wird das Verständnis für Sprache, Grammatik, Textstruktur besser geschult. Ein Beispiel: Wenn man das Wort Brücke spricht und dazu eine passende Bewegung macht, die eine
Brücke darstellt, merkt sich das Kind das Wort besser. Als wenn man es ohne Bewegung vorsagt. In Kombination mit Bewegung lernen Kindergehirne mehr und auch langfristig besser Sprache. Das ist
eine ganz praktische Übung, mit der man sein Kind zum Spracherwerb motivieren kann."
Kann Kuscheln die Gehirnleistung steigern? Oder anders gefragt: Wie wichtig ist soziale Interaktion für die Leistung unseres Gehirns?
"Der Mensch hat es im Rudel durch die Evolution geschafft: Zur Rudelbildung hat unser Gehirn spezielle Mechanismen entwickelt, die soziale Bindung stärken, wie die Ausschüttung vom Botenstoff Oxytocin, auch Kuschelhormon genannt. Kommunizieren wir miteinander und — noch besser — berühren wir einander, produzieren wir Oxytocin. Unser Wohlbefinden basiert auch aufgrund dieses Mechanismus auf sozialer Interaktion. Haben wir keine oder zu wenig Kontakt zu unseren Mitmenschen, schütten wir das Stresshormon Cortisol aus. Er senkt die Antwort des Immunsystems und kann Depressionen auslösen. Oxytocin baut Cortisol ab, also reduziert den Stress und macht uns wieder gesund. Deswegen ist soziale Interaktion das Wichtigste für unser Leben, auch für die Leistung des Gehirns."
Stress ist oft ein großes Thema im Familienalltag. Welche Rolle spielt Bewegung im Stressabbau?
"Hat man nicht ausreichend soziale Interaktion kann Bewegung auch zum Abbau von Cortisol verhelfen. Das Stresshormon führt zum Anstieg vom Entzündungsmarker Kynunenin. Seine Aufgabe ist es unter
anderem, bei Entzündungen die Gefäße zu erweitern. Bewegen wir uns ausreichend, entsteht in den Muskeln ein spezielles Eiweiß, PGC-1α1. Es bewirkt seinerzeit die „Produktion“ von KAT,
einem Enzym. Die gute Botschaft: KAT kann Kynurenin unschädlich machen. Ideal ist Muskelarbeit in der Kraftkammer. Schwitzen wir Cortisol ‘raus, schützen wir unsere Psyche.
Idealerweise hat man beides: soziale Interaktion und Bewegung. Da kann uns Stress und mangelnde soziale Interaktion nicht so leicht aus der Bahn werfen."
In Ihrem Buch „Iss dich klug“ widmen Sie sich dem Thema Ernährung. Ein Thema, das Eltern dabei täglich beschäftigt: Augenscheinlich mögen alle Kinder Süßes. Kann man den Geschmack dennoch prägen?
"Dass Kinder Süßes mögen, ist evolutionär bedingt. Die Kleinen sollen von den reifen Früchten so viel wie möglich essen, wenn sie saisonal zur Verfügung stehen. Die darin enthaltene Energie verwerten sie dann für das Wachstum. Dieser archaische Mechanismus ist allerdings auch im Jahr 2022 vorhanden, obwohl wir genug Nahrung zu allen Jahreszeiten haben. Er wird zusätzlich durch die Industrie verstärkt: Süßigkeiten aller Arten sind im Supermarkt günstig zu erwerben und somit auch für Kinder immer zugänglich. Geschmack wird außerdem bereits im Mutterleib geprägt: Das Kind schluckt ab dem 5. Lebensmonat Fruchtwasser. Darin sind auch die Aromen von Lebensmitteln enthalten, die die Mutter zu sich nimmt. Isst sie Süßes, bilden sich im kindlichen Gehirn Muster für Süßes, die eine Grundlage für Vorlieben sind. Dasselbe gilt natürlich auch für Gemüse, Obst und gesunde Lebensmittel. Was das Kind im Mutterleib und später kennenlernt, das wird es ein ganzes Leben mögen."
"Soziale Interaktion ist das Wichtigste für unser Leben und auch für die Leistung des Gehirns."
Haben also nur Mütter einen Einfluss auf die Geschmackspräferenzen des Kindes?
"Nein! Eine auch für mich überraschende Erkenntnis ist, dass auch Väter vor der Zeugung aufpassen sollten, was sie essen und trinken! Man weiß ja, dass die Mutter für die Entwicklung des
kindlichen Gehirns verantwortlich ist, und sie daher auf ihre Ernährung achten sollte. Aber dass auch der Vater diese Prinzipien beherzigen sollte, wusste ich selbst noch nicht im Detail!"
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Dr. Manuela Macedonia studierte Linguistik und promovierte danach im Fach Kognitivpsychologie an der Universität Salzburg beim Gedächtnisexperten Wolfgang Klimesch. Aktuell forscht sie am Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften Leipzig und ist an der Johannes Kepler Universität Linz tätig. Nähere Informationen unter macedonia.at
Literatur zum Thema:
“Iss dich klug. Und dein Gehirn freut sich" ecowin.at
“Runter vom Sofa! Die 365 Tage Challenge.“ (Dr. Manuela Macedonia, Brandstätter Verlag), als praktische Ergänzung zu ihrem Buch „Beweg Dich! Und dein Gehirn sagt Danke.“ brandstaetterverlag.com